Nanu, solch unterschiedliche Themen wie Geigespielen und Sensenmähen? Was sollen die denn gemeinsam haben?

Vielleicht in der Tat etwas weit hergeholt, und dennoch gibt es da schon ein paar Dinge – sei gespannt und ich freu mich auf dein Feedback über diese Gedanken. Denn auch das Sensenmähen hat was mit Führung zu tun – warum also nicht auch solch unterschiedliche Bereiche? Ich wage einfach mal den Versuch:

Du liest: in erster Linie haben sie mit mir zu tun, da ich vor Jahrzehnten stundenlang am Tag meine geliebte Geige spielen ließ und eine Menge dabei gelernt habe. Das Leben kam zwischen uns und so bleibt mir die wärmende Erinnerung an intensives Tönen mit hohem Anspruch an Perfektion.

Rein vom Material her sind sie sich ähnlich: beide bestehen aus Holz und Metall. Der Geigenkörper und der Sensenworb bzw die Geigensaiten und das Sensenblatt.

Beide müssen auf den Benutzer eingestellt werden: in der Größe und in der Haltung. Meine Geige hatte eine besondere Form mit ihrem gewölbten Bauch (daher wurde sie auch Damengeige genannt). Und der Worb ist ebenso geschwungen und mit Größe 3 genau passend für mich. Für die gute Kopfhaltung war bei mir eine Schulterstütze unter der Geige angesagt. Beim Worb stelle ich die Griffe genau auf meine Arm- und Beinlänge ein.

Bei beiden Gerätschaften gilt es, das Umfeld zu beobachten: bei der Geige ist es das zu spielende Musikstück und bei der Sense die zu mähende Wiese.

Was kann ich beim einen lernen und auf das andere übertragen?

Es geht um die Überlegungen vorab, vor dem Spiel, vor der Mahd. Wo sind die schwierigen Passagen, wo sind diffizile Takte, in welcher Tonart wird gespielt? Wo sind die Bäume, das schwere liegende Gras, die Brennnesseln, die Hanglage und mit welchem Sensenblatt arbeite ich dann am besten?

Dies Beobachtungen und Überlegungen vorab erleichtern ungemein das Arbeiten und offen gesagt: mein Arbeitsdrang und Schaffensbegeisterung wird etwas gedämpft, was mich eben erdet und zur Ruhe bringt. Ich stelle mich auf die vor mir liegende Aufgabe ein. Ich lasse alles andere los und fokussiere mich auf mein Tun mit der Geige bzw. Sense.

Einfach drauf los spielen / sensen mag seinen Reiz haben, doch wenn ich dann mir zuhöre oder das Mähergebnis sehe, bin ich dann doch nicht wirklich glücklich. Und da ich nun mal ein glückliches Leben gestalten möchte, lasse ich es lieber und beginne wie bei Monopoly: gehe zurück auf Start.

Nun, wo starte ich denn wirklich, sobald ich mich mit Fingerübungen eingespielt habe bzw auch das Sensenblatt zum Worb eingestellt ist und mit dem Wetzstein geschärft wurde?

Früher habe ich meine Konzertstücke an der schwierigsten Stelle begonnen und mich dann taktweise nach rechts und links davon vorgearbeitet hatte. So war sichergestellt, dass die schwierigsten Takte wie die leichteren Takte gleichmäßig im Spiel waren und ich die Angst vor den musikalischen Herausforderungen gemeistert hatte. Stets mit dem Anfang zu beginnen, dass man diesen auswendig konnte und dann das Tempo vor den schweren Takten halbiert hatte … ein no-go für mich damals.

Übertragen würde ich das beim Sensenmähen als die Lolly-Technik bezeichnen: ich sense mich zur Mitte der Wiese und arbeite mich im Kreis von innen nach außen. So können Tiere wie Rehe nach außen fliehen.

Vielleicht wäre die Dalmatiner-Technik ebenso treffend: sie hat den Fokus auf schneidenschonendes Arbeiten. Ich sense erst mal die leichten Stellen, um dann mit der schon stumpfer gewordenen Schneide dann das härtere Gras zu mähen. Das hat was mit dem Schneidwinkel zu tun.

Oder sollte man – da Hanglage – lieber in Zeilen sensen? Der Einfachheit halber benenne ich diese Technik gerne mit der Zeilentechnik (na klar!).

Übrig bleibt noch die Schlangentechnik: das ist das Sensen voll im Fluss, hin und zurück sensen, in einem durch:

das ist wie die Kür in der Musik, das ganze Stück in einem durchspielen. Je öfter ich es damals gespielt habe (ich habe alle Musikstücke auswendig gespielt), desto mehr konnte ich auf andere Dinge achten wie den Bogenstrich oder das gleichzeitige Zupfen der linken Hand und Streichen der rechten Hand, die ebenso auch Zupfeinlagen brachte, oder die Flageolette-Stücke, die wie Sphärenklänge die Luft erfüllten.

Dieses freie Schwingen der Sense, den größeren Radius probieren, die Wirbelsäulenbewegung spüren, das Durchziehen des linken Armes, der back-to-right-position Fokus, das Spüren der Füße auf der Erde, die Kraft des Schwunges …das sind dann die Sahnehäubchen, die Praline-Stückchen, die mich mit der Natur verbinden.

Was mich am meisten beim Sensen an meine geliebte Geige erinnert hat?

Als ich das Wetzen gelernt hatte und mit einem Mal das Sensenblatt klang, ja es waren klingende schwingende Wetzstriche, die mich gelehrt haben, auf die korrekte Wetzhaltung zu achten. Dann klingt mein Sensenblatt in den verschiedenen Tönen – was für eine Überraschung!! Und als ich dann zur Kontrolle die Rückseite meines Blattes angeschaut habe: was für ein gleichmäßiger Abrieb. Und seitdem höre ich beim Wetzunterricht, wann die Teilnehmer klingend wetzen und was ihnen für die garantierte Schneidenschärfe gut tun würde. Ist es die Sensenhaltung, die Blatthaltung, die Wetzsteinhaltung, die Handhaltung?

Vielleicht habe ich dir Lust gemacht, dich auch mal von deiner Sense führen zu lassen, dich auf deine Sense einzustellen und gemeinsam das Beste zu gestalten oder einen Sensenkurs zu besuchen? Ich freu mich auf deine Nachricht via E-Mail an